Gulia Groenke - Künstler-Statement zur Ausstellung „Minus 10“

Manchmal stellen wir uns als Kinder Fragen, auf die wir erst viele Jahre später Antworten finden. Für mich begann diese Reise mit der Frage: „Warum bin ich hier?“ Geboren in Norilsk, einer Stadt, die sich nicht leicht erklären lässt, wurde ich früh mit Extremen konfrontiert. Monatelange Dunkelheit, vergiftete Luft und das Wissen, dass dieser Ort von Menschen aufgebaut wurde, die gegen ihren Willen hierhergebracht wurden – all das prägte meine Kindheit und meine Wahrnehmung.

Norilsk ist eine Stadt der Gegensätze. Während die Luft oft nach Metall riecht und der Himmel im Winter endlos dunkel ist, haben die Menschen hier gelernt, inmitten dieser Bedingungen zu überleben. Sie sind stark, geduldig und mutig – sie riskieren ihre Gesundheit für das Leben, das sie gewählt haben. Doch diese Stärke hat ihren Preis: Das Leben hier ist oft um ein Jahrzehnt kürzer.

Meine Erinnerungen an Norilsk sind wie lose Puzzleteile, die sich erst mit der Zeit zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Diese Ausstellung ist eine Collage dieser Erinnerungen – eine Mischung aus melancholischen Gefühlen, Farben und Texturen, die die Stimmung dieses Ortes einfangen. Es geht nicht nur um das Dunkle, das Düstere. Es geht auch um die Momente des Humors, um das Überraschende und das Schöne, das entsteht, wenn Dinge zusammenkommen, die scheinbar nicht zusammengehören.

Mit meiner Kunst erforsche ich diese Widersprüche. Ich arbeite mit verschiedenen Medien – Druck, Malerei und Fotografie – und erschaffe eine vielschichtige, collagierte Komposition, die den Betrachter einlädt, hinter die Fassade zu schauen.

Diese Serie ist für mich zutiefst persönlich. Sie erzählt nicht nur die Geschichte eines Ortes, sondern auch meine eigene – die eines Mädchens, das nach Antworten sucht und schließlich lernt, dass die dunkelsten Orte oft das größte Licht in sich tragen